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Evelyn Berger
Perspektiven auf das Potential von Pflegefachassistent:innen 

Mit der Novelle des Gesundheits- und Krankenpflegegesetztes (GuKG) 2016 wurde in der österreichischen Pflegelandschaft eine neue Berufsgruppe, die Pflegefachassistenz (PFA), eingeführt. Mit einer zweijährigen Ausbildung stehen die PFA mit Blick auf Kompetenz- als auch Verantwortungsgrad zwischen dem Gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege (dreijährige Ausbildung) und den Pflegeassistent:innen (einjährige Ausbildung). Mit Stand 18. August 2024 sind im österreichischen Gesundheitsberuferegister 109.611 DGKP (Diplomierte Gesundheits- und Krankenpfleger:innen = Gehobener Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege, 59.749 PA (Pflegeassistent:innen) und 7.470 PFA (Pflegefachassistent:innen) registriert (vgl. BMSGPK 2024, S. 1).

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Rückmeldungen bezüglich des Einsatzes der PFA in der Pflegepraxis sind unterschiedlich und reichen von sehr positiv bzw. äußerst zufriedenstellend bis hin zu eher skeptisch bzw. ablehnend. Auf mögliche Gründe bzw. Ursachen hierfür soll in diesem Beitrag nicht näher eingegangen werden. Es steht aber außer Frage, dass „Neues“ einzuführen immer mit gewissen Herausforderungen verbunden ist. Ferner gilt es zu bedenken, dass es angesichts der geringen Anzahl an PFA-Absolvent:innen in einzelnen Krankenhäusern, Pflegeheimen etc. mitunter schwierig ist, die neue Berufsgruppe sinnvoll in bestehende Teams bzw. bewährte Handlungsabläufe zu integrieren und diese auch entsprechend ihrer im Vergleich zu PA vertieften Ausbildung zweckmäßig einzusetzen.  Vor dem Hintergrund des bestehenden Pflegepersonalmangels als auch seitens PFA geäußerter Berufsunzufriedenheit (z.B. gleiches Einsatzgebiet wie PA etc.) lohnt es sich jedenfalls, sich konstruktiv und kreativ mit möglichen Perspektiven und dem Potential der PFA in der österreichischen Pflegelandschaft auseinanderzusetzen.

Bedenkenswert ist, dass im Rahmen der PFA-Ausbildung, die mit einem Diplom zur Pflegefachassistenz (vgl. BKA 2024a, S. 54) abschließt, alleine im zweiten Ausbildungsjahr 100 Unterrichtsstunden im Themenfeld Pflegeprozess vorgesehen sind. PFA setzen sich eingehend mit den Schritten im Pflegeprozess auseinander und lernen u.a. verschiedene pflegerische Assessmentinstrumente kennen und anwenden (vgl. Pfabigan et al. 2020, S.252ff & S. 351).  Mit Blick auf die Pflegeplanung sind PFA beispielsweise angehalten, den DGKP konkrete Rückmeldung zu geben, inwiefern Adaptionsbedarf besteht, und beispielsweise welche pflegerischen Maßnahmen zusätzlich geplant bzw. abgesetzt oder welche weiteren Pflegediagnosen, Ressourcen etc. berücksichtigt werden sollten. PFA führen nicht nur von den DGKP delegierte Pflegemaßnahmen durch, sondern schildern den für den Pflegeprozess hauptverantwortlich zuständigen DGKP die individuelle Pflegesituation als auch den pflegerischen Handlungsbedarf (vgl. BKA 2024a, S.39).

Es steht außer Frage, dass mit Blick auf den Skill-and-Grade-Mix hinkünftig PFA und PA – im Vergleich zu den DGKP – anteilsmäßig deutlich mehr Zeit direkt am Pflegebett bzw. bei den zu Pflegenden verbringen werden. Die Rolle des Gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege entwickelt sich in Richtung Koordination und Steuerung des gesamten Pflegeprozesses. Auch im Parlamentsbericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wird mit Blick auf die GuKG-Novelle 2024 explizit auf die Stellung der PFA Bezug genommen; aus der „(…) derzeitigen Regelungslösung ergibt sich für die Praxis das nicht erwünschte Bild, dass es sich bei der Pflegefachassistenz um eine erweiterte Pflegeassistenz handelt und nicht um einen eigenständigen Gesundheits- und Krankenpflegeberuf. Durch die Neugestaltung des Tätigkeitsbereichs der Pflegefachassistenz soll nunmehr die Pflegefachassistenz, die über eine doppelt so lange Ausbildung wie die Pflegeassistenz und dementsprechend auch über ein umfassenderes Qualifikationsprofil verfügt, als eigenständiger Pflegeassistenzberuf dargestellt werden“ (Hauschildt-Buschberger & Schumann 2024, S. 11f). Dieser beruflichen Weiterentwicklung Rechnung tragend hat der Gesetzgeber bereits im Jahre 2022 die bis dahin taxative, also abschließende Aufzählung von möglichen Weiterbildungen für PA und PFA gemäß GuK-WV (= Gesundheits- und Krankenpflege-Weiterbildungsverordnung) zugunsten einer demonstrativen, also beispielhaften Aufzählung abgeändert (vgl. Kozisnik et al. 2023, S. 25; BMSGPK 2022, S.1).

Vor diesem Hintergrund erfahren aus Sicht der Autorin Konzepte wie Basale Stimulation, Kinästhetik oder Bobath sowie die Anwendung komplementärer Pflegemethoden, wie diese für DGKP im § 14 GuKG, den pflegerischen Kernkompetenzen, explizit angeführt sind, für Pflegeassistenzberufe zunehmend an großer Bedeutung. Es scheint, bei all den Weiterentwicklungen der professionellen Gesundheits- und Krankenpflegeberufe im Bereich medizinischer Diagnostik und Therapie den ureigenen Kern professioneller Pflegearbeit nicht außer Acht zu lassen. Pflege hat immer auch mit Care-Arbeit, mit fürsorglichem Handeln, mit Empathie, mit Berührung bzw. mit Berührtwerden zu tun.  Im §12 (2) GuKG ist verankert, dass professionelle Pflege „(…) zur Förderung und Aufrechterhaltung der Gesundheit, zur Unterstützung des Heilungsprozesses, zur Linderung und Bewältigung von gesundheitlicher Beeinträchtigung sowie zur Aufrechterhaltung der höchstmöglichen Lebensqualität aus pflegerischer Sicht (…)“ (BKA 2024, S. 11; Hervorhebung E.B.) beiträgt.

Insbesondere PFA scheinen mit Blick auf deren im Vergleich zu PA vertieften Ausbildung, deren Qualifikationsprofil und deren eigenverantwortlichen Tätigkeitsausübung hinsichtlich der Anwendung komplementärer Pflegemethoden und ganzheitlicher Konzepte wie Basale Stimulation in besonderer Weise geeignet. Das hohe Potential der PFA mit Blick auf die direkte pflegerischen Versorgung zeigt sich auch in der Tatsache, dass der Zertifikatslehrgang Praxisbegleiter:in Basale Stimulation nach Prof. Dr. Fröhlich®, welcher zuvor ausschließlich für die pflegerische Berufsgruppe der DGKP vorgesehen war, nunmehr auch für PFA geöffnet wurde (vgl. GGZ 2024, S. 1).

Vor dem Hintergrund der derzeitig mitunter schwierigen Integration von PFA in bestehende Pflegeteams scheinen spezifische Weiterbildungen für PFA von besonderer Relevanz – einerseits um deren Berufszufriedenheit und mithin den Berufsverbleib zu erhöhen und andererseits auch um deren Akzeptanz innerhalb der Gesundheitsberufe zu stärken. Einzelne innovative Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege haben diesen Bedarf bereits erkannt und bieten beispielsweise die Weiterbildung als Praxisanleiter:in gemäß GuK-WV (Gesundheits- und Krankenpflege-Weiterbildungsverordnung) auch für PFA, und nicht nur für DGKP, an. Ein wichtiger Impuls, wenn man bedenkt, dass der Tätigkeitsbereich der PFA gemäß § 83a (2) GuKG auch die „4. Anleitung und Unterweisung von Auszubildenden der Pflegeassistenzberufe“ (BKA 2024, S. 32) umfasst und im §83a (1) GuKG explizit verankert ist, dass PFA eigenverantwortlich tätig werden (vgl. BKA 2024).

Nach dem Ansinnen des Gesetzgebers sind die PFA gekommen um zu bleiben. Nun gilt es diese Chance auch konstruktiv zu nützen.

 

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Literatur

BKA = Bundeskanzleramt. (2024). Gesamte Rechtsvorschrift für Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, Fassung vom 19.08.2024. Abgerufen am 19.08.2024 von  https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10011026

BKA = Bundeskanzleramt. (2024a). Gesamte Rechtsvorschrift für Pflegeassistenzberufe-Ausbildungsverordnung, Fassung vom 19.08.2024. Abgerufen am 19.08.2024 von  https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung/Bundesnormen/20009672/PA-PFA-AV%2c%20Fassung%20vom%2019.08.2024.pdf

BMSGPK = Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. (2024). Gesundheitsberuferegister. Abgerufen am 18.08.2024 von https://gbr-public.ehealth.gv.at/

BMSGPK = Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. (2022). Information betreffend Auswirkungen der GuKG-Novelle 2022 auf die Ausbildungen gemäß PA-PFA-AV und Weiterbildungen gemäß GuK-WV. Abgerufen am 18.08.2024 von  https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Medizin-und-Gesundheitsberufe/Erl%C3%A4sse,-Empfehlungen-und-Informationen-neu.html

GGZ = Geriatrische Gesundheitszentren Graz. (2024). Basale Stimulation nach Prof. Dr. Fröhlich®. Abgerufen am 18.08.2024 von https://ggz.graz.at/zertifikatslehrgang-basale-stimulation/

Kozisnik, P., Rappold, E. & Pilwarsch, J. (2023). Evaluierung der GuKG‐Novelle 2016, Gesundheit Österreich, Wien. Abgerufen am  18.08.2024 von  https://jasmin.goeg.at/id/eprint/3063/1/Endbericht_GuKG_Novelle_2016_bf_.pdf

Hauschildt-Buschberger, C. & Schumann, K. (2004), Bericht des Ausschusses für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz, 11559 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Bundesrates. Abgerufen am 18.08.2024 von https://www.parlament.gv.at/dokument/BR/I-BR/11559/fname_1645461.pdf

Pfabigan, D., Rottenhofer, I., Bajer, M. & Mader, F. (2020). Curricula für die Ausbildungen Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz. In Erprobungsphase. Gesundheit Österreich, Wien. Abgerufen am 19.08.2024 von  https://jasmin.goeg.at/id/eprint/1286/1/Curr_PA_PFA_Erprobungsphase_bf.pdf

Zur Person

Eveline Berger, BSc MSc

Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin

Lehrerin für Gesundheits- und Krankenpflege

Bachelor- und Masterstudiengang Gesundheits- und Pflegewissenschaft (Medizinische Universität Graz)

Vorstandsvorsitzende der ÖGKOP (Österreichische Gesellschaft für Komplementäre und Ganzheitliche Pflege, einem gemeinnützigen Verein, der sich zum Ziel gesetzt hat, komplementäre Pflegemethoden und ganzheitliche Zugänge bzw. Konzepte  in der Pflegepraxis zu fördern)

Kontakt:

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