Bezahlte Information
Theresa Gottschlich
Wachsender Pflegebedarf: FSW Bildungszentrum setzt auf die Jugend
„Pflege ab 15“ als innovatives Ausbildungskonzept für die nächste Generation

Ohne Einbindung der Jugend ist der Pflegenotstand nicht zu beheben. In wenigen Jahren werden in ganz Österreich tausende Pflege- und Betreuungskräfte benötigt.1

Vor diesem Hintergrund müssen neue und innovative Ausbildungswege in der Pflege geschaffen werden. Das Fonds Soziales Wien Bildungszentrum gibt mit dem Pilotprojekt „Pflege ab 15“ ab Herbst 2025 aus pädagogischer Sicht eine nachhaltige Antwort auf den wachsenden Pflegebedarf und schafft gleichzeitig eine sinnstiftende berufliche Perspektive für Jugendliche. Dafür braucht es jedoch unterstützende gesetzliche Rahmenbedingungen.

Bezahlte Information

Um dem „drohenden Systemversagen“2 entgegenzuwirken, setzt die Stadt Wien mittels „Pflege Zukunft Wien“ seit 2020 u.a. auf eine gezielte Ausbildungsoffensive. Die Zahl der Ausbildungsplätze in der Pflege wird in Wien in den Jahren von 2020 bis 2026 auf über 4000 nahezu verdoppelt. Davon werden allein 980 zusätzliche Studienplätze für den gehobenen Dienst der Gesundheits- und Krankenpflege geschaffen sowie zahlreiche finanzielle Förderungen und Informationskampagnen zur Erhöhung der Attraktivität von Pflegeberufen initiiert.

Zu den ergriffenen Maßnahmen zählen die Ausweitung bereits etablierter Ausbildungsmöglichkeiten sowie finanzielle Anreize für Auszubildende. Diese Initiativen geben aber nur zum Teil eine Antwort auf die Frage, wie der zukünftige Personalbedarf in der Pflege gedeckt werden kann. Klar ist: Ein Job in der Gesundheitsbranche muss für die nächste Generation eine attraktive Option werden. Aber welche Ausbildungswege – und damit zusammenhängend – welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, um die Zielgruppe der Jugendlichen für den Weg in die Pflege zu interessieren?

Novum in der Ausbildungslandschaft

Seit 2020 können 14-Jährige beispielsweise die fünfjährige Ausbildung „Pflege mit Matura“ absolvieren. Zeitgleich mit der Matura erlangen sie in diesem Ausbildungsmodell die Berufsberechtigung zur Pflegefachassistenz. Als Alternative wurde 2023 die dreijährige Fachschule mit Pflegevorbereitung gestartet. Absolvent:innen sollen auf eine Ausbildung im Pflegebereich vorbereitet werden und können nach Abschluss z.B. mit einer Pflegeassistenz-Ausbildung beginnen. Zusätzlich gibt es in einzelnen Bundesländern vorerst den Modellversuch der – durchaus kontrovers diskutierten und zu Recht von Expert:innen skeptisch betrachteten – Pflegelehre.

„Noch vor wenigen Jahren konnten junge Menschen unter 17 Jahren keinen Pflegeberuf ergreifen. Dadurch ging wertvolles Potential verloren.“, sagt Julie Blattmann, Leiterin der Koordinationsstelle für Ausbildungen im Pflege- und Sozialbereich des FSW Bildungszentrums. Sie betont außerdem, „dass auch für Jugendliche, die keine Matura anstreben, direkte Wege in die Pflege zur Verfügung stehen müssen.“

Es gibt derzeit kein adäquates Angebot für Jugendliche ab 15 Jahren, welche zwar der gesetzlichen Ausbildungspflicht bis 18 unterliegen, aber bis dato noch keinen unmittelbaren Zugang zu einer Pflegeassistenz-Ausbildung haben.

Der Grund dafür liegt einerseits in den rechtlichen Bestimmungen des GuKG, das die Qualifizierung zur Pflegeassistenz als berufliche Erstausbildung für Jugendliche nicht vorsieht. Andererseits braucht es einen positiven Abschluss der 9. Schulstufe, um die Ausbildung zur Pflegeassistenz beginnen zu können. Es gibt jedoch eine große Anzahl Jugendlicher, die lediglich einen Pflichtschulabschluss vorweisen und deren Bildungsweg aus individuellen Gründen an dieser Stelle endet.

Und genau hier möchte das FSW Bildungszentrum ansetzen: „Pflege ab 15“ als Novum in der Wiener Ausbildungslandschaft – für junge Menschen ab 15 Jahren mit Pflichtschulabschluss.

Das neue dreijährige Ausbildungsprogramm sieht einen einjährigen Pflegevorbereitungslehrgang sowie einen zweijährigen Pflegeassistenzlehrgang vor. Jugendliche, die im Aufnahmeverfahren als geeignet eingestuft werden, sollen über drei Jahre durchgängig begleitet und somit behutsam an den Pflegeberuf herangeführt werden.

Im ersten Ausbildungsjahr der „Pflege ab 15“ werden Grundlagen gelegt, welche für die Absolvierung der Pflegeassistenz-Ausbildung notwendig sind. Im zweiten und dritten Jahr wird die Berufsausbildung zur Pflegeassistenz durchlaufen.  Reguläre Pflichtpraktika sind erst nach Vollendung des 17. Lebensjahres vorgesehen, während davor, wie bereits bei den Pflegeausbildungen ab 14 Jahren, die praktische Ausbildung über Sozialpraktika bzw. Praxissimulationen im geschützten Rahmen erfolgt.

Mit der dreijährigen Ausbildung zur Pflegeassistenz sollen diese jungen Menschen langsam an die unterschiedlichen Facetten der zukünftigen Tätigkeit herangeführt und zugleich die Identifikation mit dem Beruf und der Gesundheitsbranche gefördert werden. Ähnlich positive Erfahrungen wurden auch mit dem Ausbildungsmodell „Pflege mit Matura“ gemacht, auf denen nun weiter aufgebaut werden soll . Hier ist „eine persönliche Eins-zu-Eins-Betreuung im Rahmen von Sozialpraktika der Schlüssel. Jugendliche haben die Möglichkeit, eine Organisation in ihrer Gesamtheit kennenzulernen – von Aufbau und Administration bis hin zur interdisziplinären Zusammenarbeit.“, so Barbara Fritz, Projektleiterin des Ausbildungsprogramms „Pflege ab 15“. Dies fördere das Verständnis für andere Berufsgruppen und ermögliche eine tiefgehende Auseinandersetzung und Reflexion mit Erlebtem.

Die Vorzüge des neuen Ausbildungsprogramms liegen auch für Julie Blattmann auf der Hand: „Im Kern geht es hier um die engmaschige Begleitung von Jugendlichen, die bei der ‚Pflege ab 15‘ gewährleistet ist.“ Sie sieht darin einen möglichen Vorteil gegenüber der Pflegelehre, bei der unterschiedliche Praktikums- und Lehrstellen eine zusätzliche Herausforderung darstellen können. Für Barbara Fritz sind in der Arbeit mit Jugendlichen konstante Bezugspersonen wichtig. Entscheidend sei, „dranzubleiben und Jugendliche immer wieder dort abzuholen, wo sie sich in ihrer persönlichen Entwicklung und Lebenssituation befinden. Das gelingt nur mit versierten und authentischen Pädagog:innen, die Erfahrungen mit dieser Zielgruppe haben.“

Um Jugendliche, die der Ausbildungspflicht unterliegen, für Pflegeberufe zu begeistern, bedarf es entsprechend motivierender Kommunikationsmaßnahmen.

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass gerade diese Zielgruppe 15-jähriger der „Gen Z“ angehört und ihnen daher berufliche Perspektiven eröffnet werden sollten, die mit ihren Wertvorstellungen und Lebensentwürfen vereinbar sind.

Jugendstudien zeigen Potential für Pflegeberufe

So war in der österreichweiten Jugendstudie „Lebenswelten 2020: Wertehaltungen junger Menschen in Österreich“(1) klar erkennbar, dass die wichtigsten Werte der 14-16 jährigen harmonische Beziehungen, eine gute Ausbildung, eigenverantwortliches Handeln und Lebensgenuss sind. „Die guten Dinge des Lebens in vollen Zügen genießen“ zu können, scheint für junge Menschen am ehesten mit einer guten beruflichen Qualifizierung erreicht werden zu können.

Damit Jugendliche mit ihrer beruflichen Tätigkeit zufrieden sind, müssen sie an erster Stelle einen sicheren Arbeitsplatz haben: Weibliche Befragte stimmen dem mit 79 % zu, männliche mit 72 %. Darüber hinaus wird besonderer Wert auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gelegt. Auch hier zeigt sich eine hohe Zustimmungsbereitschaft: Bei weiblichen Befragten 71 %, bei männlichen Befragten 62 %. Besonders interessant für die grundsätzliche Bereitschaft einen Pflegeberuf zu ergreifen, ist das Antwortverhalten auf die Sinnfrage: 62 % der weiblichen und 56 % der männlichen Befragten geben an, dass für sie eine sinnstiftende Tätigkeit besonders wichtig sei. 3  Zwei Wertvorstellungen sind hier relevant: Der Pflegeberuf vereint den krisensicheren Arbeitsplatz mit einer sinnerfüllenden Tätigkeit. Darauf müssten alle Kommunikationsmaßnahmen ausgerichtet werden.

Im Rahmen derselben Studie wurde für Niederösterreich erhoben, inwiefern Jugendliche über Klarheit ihrer beruflichen Ziele verfügen und welche Rolle in diesem Zusammenhang Pflegeberufe einnehmen. Von 1596 Jugendlichen ab 14 Jahren beantworten 81 % der Jugendliche die Frage, ob sie sich vorstellen können einen Pflegeberuf zu ergreifen mit „nein“.

16 % können sich vorstellen einen Pflegeberuf zu ergreifen, 3 % sind noch unsicher.

Dies scheint auf dem ersten Blick ernüchternd. Die Studie zeigt aber auch, dass – würde man diesen Prozentsatz auf die drei Alterskohorten von 14 bis 16 Jahren hochrechnen – (jeweils ca. 15.000 Jugendliche pro Jahrgang in Niederösterreich, also insgesamt 45.000), sich eine Gesamtzahl von rund 7.000 Jugendlichen allein in Niederösterreich ergeben würde, die potenziell dazu bereit wären, einen Pflegeberuf zu ergreifen.4

Zwar gibt es (noch) keine vergleichbare Erhebung mit Fokus auf Wien – immerhin ist es aber für  77 % der 16-25-jährigen Österreicher:innen im Jahr 2024 „sehr wichtig“, einer sinnstiftenden Tätigkeit nachzugehen und für 74 % einen sicheren Arbeitsplatz zu haben.5 Hier zeigt sich eine idente Wertorientierung, die die ideale Voraussetzung zur Ergreifung eines Pflegeberufs bildet.

Die empirischen Daten machen deutlich, dass das Potential zur Pflegeausbildung für die Zielgruppe „Gen Z“ durchaus gegeben ist und genutzt werden muss. Das Modell „Pflege ab 15“ ist also ein Zukunftskonzept, das Jugendlichen eine tragfähige, berufliche Perspektive eröffnet: Ein Beruf mit gesellschaftlicher Relevanz, das Erleben von sinnstiftender Tätigkeit und die Möglichkeiten beruflicher Höherqualifizierungen.

Rechtliche Hürden

Der Weg zur erfolgreichen Implementierung der „Pflege ab 15“ ist allerdings noch nicht geebnet. Möchte man ein neues Ausbildungsprogramm an einer Schule für Gesundheits- und Krankenpflege anbieten, erfordert dies die Einhaltung relevanter Rechtsgrundlagen sowie behördliche Bewilligungen.

Dabei muss in diesem Fall im Besonderen §97 Abs 2 GuKG beachtet werden, der die Ausbildung zur Pflegeassistenz als berufliche Erstausbildung nur unter bestimmten restriktiven Voraussetzungen zulässt, wie z.B. im Rahmen der Erwachsenenbildung. Eine einjährige Ausbildung zur Pflegeassistenz für Jugendliche ist grundsätzlich nicht vorgesehen. Insbesondere die Formulierung „in begründeten Ausnahmefällen“ (vgl. §97 Abs 2 Z 4 GuKG) lässt Raum für Interpretationen offen.

Offensichtlich ist, dass §97 GuKG in einem Spannungsverhältnis mit dem Ausbildungspflichtgesetz (und der bereits erwähnten Ausbildungspflicht bis 18) steht. Während in den Erläuterungen zur GuKG Novelle 2016 die Relevanz der Pflegeassistenz-Ausbildung hervorgehoben wird, ist gleichzeitig nur die Pflegefachassistenz als Erstausbildung vorgesehen.
Als Begründung wird angeführt, dass jungen Menschen ein entsprechender Bildungsstandard ermöglicht werden soll, welcher offenbar eher durch die Ausbildung zur Pflegefachassistenz als  gegeben erachtet wird. Dies steht im klaren Widerspruch zu der in den Erläuterungen dargelegten Signifikanz des Berufsbildes der Pflegeassistenz.

Gleichzeitig soll interessierten Erwachsenen, die keine zweijährige Ausbildung machen können, sehr wohl die Möglichkeit gegeben werden, die bloß einjährige Pflegeassistenz-Ausbildung zu absolvieren. 6  So steht lediglich Personen in der Erwachsenenbildung der Weg in die Pflegeassistenz offen, nicht aber Jugendlichen – was vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels nicht mehr zeitgemäß ist.

Während insbesondere politische Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Pflegeberufe für bestehendes Personal attraktiver zu gestalten, bedarf es aber auch neuer Ansätze in der Ausbildung. Hier stellt das FSW Bildungszentrum die Weichen für die nächste Generation im Pflegebereich. Zukünftige Schüler:innen des Ausbildungsprogramms „Pflege ab 15“ müssen derzeit im Sinne des §97 Abs 2 Z 4 GuKG als „begründete Ausnahmefälle“ eingestuft werden. Das FSW Bildungszentrum möchte mit den gewonnenen Erfahrungen aus der Pilotierung des Ausbildungsprogramms – in einem längerfristig gedachten Schritt – zu einer Novellierung der gegenwärtigen Rechtsgrundlage beitragen.

Damit kann der Grundstein für eine nachhaltige Stärkung des Pflegepersonals gelegt und jungen Menschen die „Perspektive Pflege“ gegeben werden. Durch die erfolgreiche Absolvierung der Ausbildung sind die Voraussetzungen für eine berufliche Höherqualifizierung, wie beispielsweise zur Pflegefachassistenz, geschaffen.

„Pflege ab 15 ist das fehlende Puzzleteil in der Wiener Ausbildungslandschaft.“, betont die Geschäftsführerin des FSW Bildungszentrums, Maga Doris Czamay, und stellt klar: „Ohne die Jugend lässt sich der Pflegebedarf nicht bewältigen. Schon jetzt lässt sich sagen, dass die Implementierung eines solchen Ausbildungsweges ein maßgeblicher Beitrag zur Behebung des Pflegenotstands ist. Das FSW Bildungszentrum ist bereit, hier innovative und zukunftweisende Wege zu gehen.“

Diesen Artikel weiterempfehlen.

Fußnoten

(1) – befragt wurden 14.432 Schülerinnen und Schüler. Die Ergebnisse sind repräsentativ für Jugendliche ab 14 Jahren der 8. | 9. | 10. Schulstufen an allen Schulen in Österreich.

Literatur

1 Vgl. Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (2024). Studie zum Pflegepersonalbedarf. Abgerufen am 07.08.2024 von https://www.sozialministerium.at/Themen/Pflege/Pflegepersonal.html und Pflege Zukunft Wien. Abgerufen am 07.08.2024 von https://pflegezukunft.wien/ueber-uns/ sowie Juraszovich, Brigitte; Rappold, Elisabeth; Gyimesi, Michael (2023): Pflegepersonalprognose. Update bis 2050. Aktualisierung der Pflegepersonalbedarfsprognose 2030. Ergebnisbericht. Gesundheit Österreich, Wien.

2 Stuiber, Petra (2021). Pflege und Kindergärten: Systemversagen droht. In: Der Standard. Abgerufen am 07.08.2024 von https://www.derstandard.at/story/2000129924854/pflege-und-kindergaerten-systemversagen-droht

3 Vgl. Jugendforschung Pädagogische Hochschulen Österreichs (Hrsg.) (2021). Lebenswelten 2020. Werthaltungen junger Menschen in Österreich: Zentrale Ergebnisse. S. 4 ff. Abgerufen am 07.08.2024 von https://pph-augustinum.at/dateien/UeberUns/Aktuelles/2021/Lebenswelten2020/LWOesterreich2020ZentraleErgebnisse.pdf

4 Vgl. Jöstl, G., Niederfriniger J. (2021). Jugendliche und der Pflegeberuf. Erste Ergebnisse aus einer niederösterreichischen Studie über die beruflichen Werte Jugendlicher. S.21. doi: 10.53349/sv.2021.i2.a103. Abgerufen am 07.08.2024 von https://schule-verantworten.education/journal/index.php/sv/article/view/103/73

5 Vgl. Ö3 Jugendstudie (2024). Inside GenZ. Abgerufen am 07.08.2024 von https://www.oe3jugendstudie.at/ergebnisse.php

6 Vgl. Parlament Österreich. Erläuterungen zur GuKG-Novelle 2016. S. 8 ff. Abgerufen am 09.08.2024 von https://www.parlament.gv.at/dokument/XXV/I/1194/fname_538959.pdf

Zur Person

Maga Theresa Gottschlich ist als Fachmitarbeiterin im FSW Bildungszentrum für Ausbildungsmanagement sowie Organisationsentwicklung im Geschäftsbereich Pflegeassistenzberufe zuständig.

unser infoservice

Wir informieren Sie sehr gern über zukünftige Neuerscheinungen und interessante Artikel. 

Weitere Artikel dieser Ausgabe

Bezahlte Information

pflegenetz.­newsletter

Mit unserem Newsletter informieren wir Sie
1x monatlich über Aktuelles, Neues und Wissenswertes aus dem Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich.

© pflegenetz 2024