Die Begleitung von Menschen am Lebensende ist für Auszubildende der Pflegeassistenz (PA) eine Herausforderung, daher ist die Vorbereitung und Kompetenzentwicklung im Bereich Palliative Care essenziell. Daten von PA-Auszubildenden in palliativen Pflegesituationen fehlen bislang. Ziel der Studie war es, Erfahrungen und Herausforderungen der PA-Auszubildenden aufzuzeigen, um sie künftig besser auf diese Aufgaben vorzubereiten. PA-Auszubildende (n = 11) aus vier Gesundheits- und Krankenpflegeschulen wurden interviewt. Dabei zeigte sich Verbesserungsbedarf in der theoretischen und praktischen Ausbildung.
Hintergrund
Gesundheits- und Krankenpflegepersonen sind im intra- und extramuralen Setting mit der Pflege und Begleitung von Menschen am Lebensende und deren Zugehörigen konfrontiert (Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin, 2023). Dies setzt voraus, dass bereits Auszubildende der Gesundheits- und Krankenpflege entsprechend auf palliative Pflegesituationen vorbereitet werden (Pfabigan et al., 2020, S. 78), um die damit verbundenen Herausforderungen erfolgreich bewältigen zu können (Gesundheit Österreich GmbH, 2014, S. 8-10).
Studien zeigen, dass sich Studierende der Gesundheits- und Krankenpflege in Bezug auf Palliative Care vor allem zu Beginn des Studiums und vor dem ersten praktischen Einsatz hilflos und überfordert fühlen (Edo-Gual et al., 2014; Halbmayr-Kubicsek, 2015). Ängste und Unsicherheiten bestehen u.a. hinsichtlich des Sterbeprozesses, der Versorgung von Verstorbenen (Halbmayr-Kubicsek, 2015) sowie der eigenen Emotionen (Edo-Gual et al., 2014). Insbesondere eine unzureichende Kommunikationskompetenz führt zu Unsicherheit im Umgang mit Betroffenen und Zugehörigen (Halbmayr-Kubicsek, 2015; Charalambos & Kaite, 2013; Cao et al., 2022). Im Palliative Care-Unterricht ist daher eine hospizliche Haltung sowie fundiertes Basiswissen zu verankern (Davidson et al., 2019, Pelttari et al., 2021, S. 76).
Problemstellung und Zielsetzung
Die zunehmende Komplexität und Dynamik des Gesundheitswesens erfordert eine PA-Ausbildung, die nicht nur fachorientierte und technisch-instrumentelle Aspekte, sondern auch Interaktionsprozesse und Gesundheitsförderung berücksichtigt (Pfabigan et al., 2020). Obwohl in Studien eine unzureichende Vorbereitung von Studierenden der Gesundheits- und Krankenpflege bei der Begleitung von Menschen am Lebensende beschrieben werden (Davidson, 2020; Edo-Gual et al., 2014; Halbmayr-Kubicsek, 2015), fehlen bislang empirische Daten von PA-Auszubildenden in palliativen Pflegesituationen (Pilwarsch et al., 2023, S. 10).
Ziel der Studie war daher, Erfahrungen und die damit verbundenen Herausforderungen von PA-Auszubildenden in der Begleitung von Menschen am Lebensende aufzuzeigen sowie Verbesserungspotentiale für die theoretische und praktische Ausbildung aus der Sicht der PA-Auszubildenden zu identifizieren.
Methode
Um das individuelle Erleben von PA-Auszubildenden und tiefere Einblicke in ihre Erfahrungswelt zu gewinnen, wurde ein qualitatives und interpretatives Forschungsdesign (Helfferich, 2009, S. 21-26) gewählt.
Eingeschlossen wurden PA-Auszubildende (ab 18 Jahren) von Gesundheits- und Krankenpflegeschulen in Westösterreich mit mindestens einem Praktikum, in dem sie Erfahrungen in der Begleitung von Menschen am Lebensende gemacht haben. Ausgeschlossen wurden Auszubildende für Sozialbetreuungsberufe und jene mit unzureichenden Deutschkenntnissen. Die Rekrutierung der Interviewteilnehmer*innen erfolgte über verantwortliche Personen (Gatekeeper) der Gesundheits- und Krankenpflegeschulen in Westösterreich, mittels Schneeballverfahren sowie über die Ausschreibung im sozialen Netzwerk Facebook.
Zur Erhebung der Daten wurden leitfadengestützte Einzelinterviews nach Helfferich (2009, S. 182) durchgeführt. Die Interviewdaten wurden elektronisch aufgezeichnet, transkribiert, pseudonymisiert gespeichert und die Ergebnisse in anonymisierter Form dargestellt. Die Datenanalyse erfolgte anhand der inhaltlich strukturierenden Inhaltsanalyse nach Kuckartz und Rädiker (2022, S. 196 – 214) mittels f4analyse. Die Bildung der Hauptkategorien erfolgte deduktiv gemäß der Forschungsfragen. Die Subkategorien wurden induktiv gebildet.
Die Befassung einer Ethikkommission war nach Beschluss der Studien- und Prüfungskommission der UMIT TIROL nicht erforderlich. Die Studienteilnehmer*innen wurden durch ein Informationsschreiben über das Forschungsvorhaben aufgeklärt sowie um ihre freiwillige Teilnahme und schriftliche Einwilligung gebeten.
Zentrale Ergebnisse
Von Mai bis Juni 2024 fanden leitfadengestützte Einzelinterviews mit elf PA-Auszubildenden in vier Gesundheits- und Krankenpflegeschulen aus Vorarlberg, Tirol und Salzburg statt. Die Interviews dauerten zwischen 21 und 46 Minuten. Die Studienteilnehmer*innen waren zwischen 19 und 48 Jahre alt (weiblich: n=9, männlich: n=2). Eine interviewte Person absolvierte die PA-Ausbildung im ersten, zwei im zweiten und acht im dritten Bildungsweg.
Die theoretische und praktische Vorbereitung im Rahmen der PA-Ausbildung auf die Begleitung von Menschen am Lebensende wurde von den interviewten Auszubildenden insgesamt als unzureichend wahrgenommen. Die Studienteilnehmer*innen fühlen sich wenig bis schlecht auf diese Aufgabe vorbereitet. Alle Studienteilnehmer*innen beschrieben ein Gefühl der Hilflosigkeit und kamen im Rahmen der Begleitung von Menschen am Lebensende häufig an die Grenzen ihres pflegerischen Handelns. Besonders deutlich wurde dies bei folgenden Aspekten:
Alle Interviewten beschrieben das Erleben von mannigfaltigen Emotionen wie Trauer, Mitgefühl, Angst, Unbehagen bis zu Erleichterung. Gerade das Gefühl der Überforderung wurde von den interviewten Personen häufig beschrieben, vor allem durch mangelnde Vorkenntnisse, fehlende Unterstützung von Seiten des Pflegepersonals und/oder dem Eintreten von unvorhersehbaren Ereignissen.
„In der Situation war ich sehr überfordert. Da bin ich wirklich im Zimmer gestanden, wie in einer Schockstarre. Ja, weil ich auf das überhaupt nicht vorbereitet war“ (Interview 8, Absatz 46).
Die Gesprächsführung sowohl mit dem Betroffenen selbst, aber auch mit den Angehörigen stellte eine große Unsicherheit dar, aufgrund fehlender Schulung und Anleitung. Studienteilnehmer*innen beschrieben die Haltung von diensthabenden Pflegepersonen oft als emotionslos und routiniert. Häufig war keine würdevolle Verabschiedung der Betroffenen möglich, dies wurde durch mangelnde zeitliche Ressourcen begründet.
„Es gibt auch einen Verabschiedungsraum im Krankenhaus. Manche Pflegepersonen sagen aber, da schieben wir ihn gar nicht hinein, wir bringen den Patienten gleich in die Prosektur“ (Interview 6, Absatz 106).
Neben diesen Herausforderungen fühlten sich die Studienteilnehmer*innen gut von diensthabenden Pflegepersonen der Praktikumsstellen begleitet. Es wurden Situationen oder Tätigkeiten beschrieben, die unterstützten und inspirierten, wie Rituale oder pflegerische Handlungen, jedoch wurden nur wenige positive Erfahrungen berichtet.
„Der ganze Tag war dem Verstorbenen gewidmet und die Kerze hat immer bis zum nächsten Tag gebrannt“ (Interview 3, Absatz 28).
Die Studienteilnehmer*innen bewältigten das Erlebte im palliativen Pflegesetting unterschiedlich. Wenige konnten ihre Erlebnisse im stationären Setting besprechen, die Mehrheit thematisierte die Erlebnisse im privaten Kontext mit Angehörigen oder auch mit Mitschüler*innen.
„Ja, ich glaube, das [ mit Angehörigen oder Mitschüler*innen] zu besprechen ist auf Augenhöhe. Bei der Praxisanleiterin, da ist wieder so eine Hierarchie, da kannst du nicht offen sagen okay, das ist mir jetzt sehr nachgegangen“ (Interview 1, Absatz 39-40).
Alle Studienteilnehmer*innen fühlten sich hinsichtlich der theoretischen und praktischen Ausbildung unzureichend auf die Begleitung von Menschen am Lebensende vorbereitet.
„In gar keinem Praktikum wurde ich darauf vorbereitet“ (Interview 1, Absatz 50).
Die Mehrheit der Studienteilnehmer*innen erhielt durch die Verantwortlichen der Praktikumsstellen keine Information oder Anleitung bezüglich der Begleitung von Menschen am Lebensende.
„Ich finde schon, dass es besser wäre, wenn sie sagen, es kann sein, dass jemand stirbt. Dann kann das und das getan werden“ (Interview 2, Absatz 38).
In Bezug auf Verbesserungspotentiale für die theoretische und praktische Ausbildung wurde der Wunsch nach einer konkreten Anleitung bei pflegerischen Maßnahmen sowie in der Kommunikation deutlich. Auch wurde die Notwendigkeit einer festen Bezugsperson im Praktikum betont, um eine kontinuierliche und vertrauensvolle Unterstützung zu gewährleisten. Zudem wurde auf die Wichtigkeit, Gefühle zeigen zu dürfen und über das Erlebte sprechen zu können, hingewiesen.
„Ich würde den Schülern unbedingt sagen, dass sie sich trauen sollen zu fragen, Gespräche einfordern und auch Gefühle zeigen. Damit es wieder menschlich wird. … (Interview 9, Absatz 109).
Die Mehrzahl der Studienteilnehmer*innen wünschte sich die Vertiefung von Inhalten im Palliative Care Unterricht, insbesondere konkrete praxisrelevante Informationen und ein grundlegendes Verständnis für die wichtigsten Aspekte in der Palliativversorgung. Zudem wurde vorgeschlagen, den Palliative Care-Unterricht vor dem ersten Pflegepraktikum zu erhalten.
„Was ich mir wünsche, ist eigentlich, dass das Palliativpflege einfach am Anfang von der Ausbildung ist, dass man weiß, okay, das kommt auf mich zu“ (Interview 10, Absatz 54).
Schlussfolgerungen
PA-Auszubildende sind in der Begleitung von Menschen am Lebensende mit emotionalen und praktischen Herausforderungen konfrontiert, auf die sie nicht angemessen vorbereitet sind. Die Ergebnisse unterstreichen die Notwendigkeit, die bestehende PA-Ausbildung im Hinblick auf die Anforderungen von Palliative Care weiterzuentwickeln und eine Verknüpfung von theoretischem Wissen und praktischen Erfahrungen sicherzustellen. Eine offene Kommunikationskultur, in der Auszubildende ermutigt werden, aktiv Fragen zu stellen, unterstützt sie im Umgang mit komplexen und emotional belastenden Herausforderungen. Entscheidend für die emotionale Bewältigung ist zudem die Reflexion der erlebten Situationen und der dabei entstandenen Gefühle.
Untersuchungen zur Wirksamkeit von Bildungsinterventionen in der PA-Ausbildung sowie zu den Unterstützungsbedarfen von PA-Auszubildenden in der Pflegepraxis erscheinen dringend geboten.
Cao, W., Li, C., Zhang, Q., & Tong, H. (2022). Perceptions on the current content and pedagogical approaches used in end-of-life care education among undergraduate nursing students: A qualitative, descriptive study. BMC Medical Education, 22(1), 553. https://doi.org/10.1186/s12909-022-03625-y
Charalambous, A., & Kaite, C. (2013). Undergraduate nursing students caring for cancer patients: Hermeneutic phenomenological insights of their experiences. BMC Health Services Research, 13(1). https://doi.org/10.1186/1472-6963-13-63
Davidson, C. (2020). Recognizing the Need for Oncology Education in Canadian Baccalaureate Nursing Programs. Journal of Cancer Education, 35(3), 441–446. https://doi.org/10.1007/s13187-019-01620-4
Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (Hrsg.). (2023). Empfehlungen zur Betreuung und Begleitung sterbender Menschen in den letzten Tagen und Stunden ihres Lebens und zur Begleitung ihrer Angehörigen
Edo-Gual, M., Tomás-Sábado, J., Bardallo-Porras, D., & Monforte-Royo, C. (2014). The impact of death and dying on nursing students: An explanatory model. Journal of Clinical Nursing, 23(23–24), 3501–3512. https://doi.org/10.1111/jocn.1260
Gesundheit Österreich GmbH. (2018). Hospizkultur und Palliative Care für Erwachsene in der Grundversorgung. https://www.hospiz.at/wordpress/wp-content/uploads/2018/06/hospizkultur_und_palliative_care_fuer_erwachsene_in_der_grundversorgung_praxisleitfaden_0-fehler.pdff
Halbmayr-Kubicsek, U. (2015). Tod und Sterben begegnen – Befürchtungen und Erwartungen Studierender der Gesundheits- und Krankenpflege in Bezug auf die künftige Konfrontation mit Sterben und Tod. Pflegewissenschaft, 17(11), S. 596-603. https://doi.org/10.3936/1320
Helfferich, C. (2009). Die Qualität qualitativer Daten: Manual für die Durchführung qualitativer Interviews (3., überarb. Aufl). VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Kuckartz, U., & Rädiker, S. (2022). Qualitative Inhaltsanalyse: Methoden, Praxis, Computerunterstützung: Grundlagentexte Methoden (5. Auflage). Beltz Juventa.
Pelttari, L., Slezak, N., & Nemeth, C. (2021). Datenbericht der spezialisierten Hospiz- und Palliativeinrichtungen, der Bildungsarbeit sowie der Projekte in der Grundversorgung. https://www.hospiz.at/wordpress/wp-content/uploads/2023/07/Datenbericht_DVHospizOesterreich_2021_v1_WEB.pdf
Pfabigan, D., Rottenhofer, I., Bajer, M., & Mader, F. (2020). Curricula für die Ausbildungen Pflegeassistenz, Pflegefachassistenz. In Erprobungsphase. Gesundheit Österreich, Wien.
Pilwarsch, J., Holzweber, L., Zach, M., Gruböck, A., Mathis-Edenhofer, S., & Wallner, A. (2023). Jahresbericht Gesundheitsberuferegister 2019. Gesundheit Österreich, Wien.
Susanne Erhart, BScN MHPE
Bachelorstudium Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Pflegemanagement, Masterstudium Pflege- und Gesundheitspädagogik, UMIT TIROL; Pflegepädagogin an der Schule für Sozialbetreuungsberufe in Bregenz.
Kontakt: susanne.erhart@sozialberufe.net
Angela Flörl, BScN MPH
Bachelor-Studium Pflegewissenschaft mit Schwerpunkt Pflegemanagement und Pflegepädagogik; Masterstudium Public Health, UMIT TIROL; wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department für Pflegewissenschaft und Gerontologie, UMIT TIROL – Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und -technologie
Ass.-Prof.in Mag.a Dr.in Christiane Kreyer
Assistenzprofessorin am Department für Pflegewissenschaft und Gerontologie, UMIT TIROL – Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften und -technologie mit dem Forschungsschwerpunkt Palliative Care aus pflegewissenschaftlicher Perspektive.
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