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Ingrid Feuerstein
„Immer mehr dokumentieren? – Wir haben Stress genug!“

In diesem Beitrag wird kurz auf die Entwicklung der Langzeitpflege eingegangen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Tätigkeitsbereichs der Pflege(fach)assistenz beschrieben.  Die Mitarbeiter*innen der Pflege(fach)assistenz haben dabei eine sehr wichtige Schlüsselrolle im Pflegeprozess. Ihre Beobachtung könnte sich unter Umständen, ganz drastisch formuliert, als lebensrettend, herausstellen. Vorgestellt wird hier eine Testphase eines Projektes, zur kompetenzorientierten Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen, in sieben Einrichtungen, der stationären Langzeitpflege von BENEVIT, mittels Checklisten und Möglichkeit der Nutzung von Arbeits- und Lernaufgaben.  Diverse Evaluierungsergebnisse aus diesem und einem anderen hier vorgestellten Projekt, könnten später und in weiterer Folge, interessierten Leser*nnen präsentiert werden.

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Die Vorarlberger Pflegegesellschaft BENEVIT ist eine gemeinnützige Organisation mit sieben stationären Langzeitpflegeeinrichtungen, 60 Einheiten betreutes Wohnen, sowie einer betreuten Wohngemeinschaft mit 12 Bewohner*innen. In unserer Organisation sind ca. 350 Mitarbeiter*innen beschäftigt und es werden jährlich über 100 Auszubildende in der Praxisanleitung begleitet. Im Herbst 2022 wurde erstmals von der Fachhochschule Vorarlberg (FHV) und Connexia, einen Preis für Praxisanleitung verliehen. Eine unabhängige Fachjury verlieh damals dem Konzept für Praxisanleitung, der BENEVIT Gruppe, den ersten Preis, den Hauptpreis.

Die Herausforderungen in der stationären Langzeitpflege haben sich laut Kuckert-Wöstheinrich (2023) in den letzten Jahren aus unterschiedlichsten Gründen massiv verändert.

Hochkomplexe pflegerische Fragestellungen, frühzeitige Entlassungen aus dem stationären Krankenhaussetting, sich verändernde Familienstrukturen, der Fachkräftemangel, neben vielen anderen Faktoren, spielen hier eine große Rolle.

Laut Kempter (2023) nimmt die Dokumentationstätigkeit, im Langzeitpflegebereich, fast die Hälfte der Arbeitszeit, in Anspruch. Angesichts des Personalmangels wäre es von Vorteil, diesen hohen Zeitaufwand, zu Gunsten der direkten Pflege, am Menschen, zu reduzieren.

Unter anderem auch mit dieser oben genannten Entwicklung steigt auch die physische und psychische Belastung unserer Pflegefachkräfte. Eine Folge, einer dauerhaften Über- bzw. Fehlbelastung, könnten lückenhafte, ungenaue, schwer nachvollziehbare dokumentierte Informationen sein, welche auch ungünstige Auswirkungen auf die Bewohner*innen haben könnten. Deswegen gibt es einleitend folgende Fragestellung:

Wie gelingt es, vor allem im Langzeitpflegebereich, die Qualität der Pflegedokumentation effektiver zu sichern, die Pflegequalität zu steigern und weitere positive Effekte zu erzielen?

Die Gesamtverantwortung für den Pflegeprozess trägt laut Polleros, Hackner (2023) der gehobene Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege. De Pflegeassistenzberufe handeln auf Anordnung des gehobenen Pflegedienstes. Nur die Pflegefachassistenz ist dazu berechtigt, eigenverantwortlich und ohne (verpflichtende) Aufsicht geplante Maßnahmen durchzuführen. Pflege(fach)assistent:innen haben eine wichtige unterstützende Funktion. Der gehobene Dienst ist auf die Mitarbeit bzw. auch das Mitdenken des gesamten Pflegeteams angewiesen, um den Pflegprozess zu planen, durchführen und überprüfen zu können.

Der § 83 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes gibt den Tätigkeitsbereich der Pflege(fach)assistenz vor. Im Gesetzestext fällt der Schlüsselbegriff der „Mitwirkung“ auf, vor allem im Kontext mit übertragenen Pflegemaßnahmen, oder beim Pflegeassessment. Bei der fortlaufenden Beobachtung des Gesundheitszustandes, im Kontext mit der Beteiligung in der praktischen Ausbildung zur Pflege(fach)assistenz, ist auch eine Mitwirkung vorgesehen.

Derzeit läuft eine Testphase einer von der Zentralen Heim- und Pflegeleitung, Fr. Ursula Fischer-Gruber, MSc, in Zusammenarbeit mit der Fachstelle Pflegeentwicklung kreierten, kompetenzorientierten Einarbeitung, in allen sieben BENEVIT- Einrichtungen.

Der von „BENEVIT Teams“ formulierte Basiswert „Kompetenz“ betont, dass wir mit unseren Erfahrungen wachsen und uns fachlich gemeinsam weiterentwickeln.

In dieser kompetenzorientierten Einarbeitung gibt es für die ersten sechs Monate entsprechende Themen, in Form von Checklisten, vom 1. Arbeitstag bis zum 6. Monat. Die Einarbeitung wird dabei auf „mehrere Schultern“, im Team, verteilt. Dabei können von der Fachstelle entwickelte Arbeits- und Lernaufgaben genutzt werden, welche auch sehr pflegeprozessorientiert sind. Folgende Fragestellung kann unter anderem nach Abschluss der Testphase evaluiert werden: Welche Auswirkungen hat eine kompetenzorientierte Einarbeitung mit Checklisten bzw. Arbeits- und Lernaufgaben, z.B. auf die Pflegedokumentation?

Beispiel einer Arbeits- und Lernaufgabe und Bezug zum Pflegeprozess:

Ihre Mitwirkung beim NANDA-I orientierten Pflegeassessment
1.     Kurzes Selbststudium (z.B. Durchsicht der Befragungs- und Beobachtungskärtchen): NANDA-I orientierten Pflegeassessment in der elektronischen Pflegedokumentation

2.     Gemeinsame Auswahl einer Neuaufnahme und Sichtung der ersten vorliegenden, pflegerelevanten Informationen

3.     Vorgespräch und Simulationstraining zwischen Mentor*in und neuer Mitarbeitenden über die wichtigsten Fragen, Beobachtungen und Beachtenswertes im Zusammenhang von mindestens zwei, auszuwählenden Domänen aus dem NANDA-I orientierten Assessment

4.     Ausführung der zuvor besprochenen Aufgabe, unter Beobachtung der Mentor*in

5.     Gemeinsame, elektronisch gestützte, Eingabe der Ergebnisse

6.     Wiederholung dieser Aufgabe, mit den nächsten zwei Domänen, Ihrer Wahl

7.     Gemeinsame Reflexion: Welcher individuelle Betreuungs- und Pflegebedarf wird erkennbar?

8.     Mitwirkung bei der Pflegeplanung

9.     Abschließendes Ausfüllen und besprechen einer kompetenzorientierten Checkliste zur Selbst- und Fremdeinschätzung.

10.  Gemeinsame Ableitung von weiteren, kompetenzstärkenden Arbeits-bzw. Lernaufgaben Ihres Interesses

Abb 1: Auszug aus dem BENEVIT Katalog: Arbeits- und Lernaufgaben für alle

 

Sehr aufschlussreich werden auch die Ergebnisse, im Jahr 2026, sein und zwar nach einer dreijährigen Projektphase der Forschung, im Dienst der Pflege, der Fachhochschule Vorarlberg in Zusammenarbeit mit Langzeitpflegeeinrichtungen zur Dokumentationstätigkeit im Pflegeheim.

Einstweilen setzen wir bei BENEVIT, auf entsprechende Förderung der individuellen Kompetenzen und eine möglichst angenehme Teamarbeit. Denn professionelle Pflege wird auch zukünftig sicher kaum, auf ein Instrument systematischer Problemlösung, verzichten können. Die Pflege bleibt weiterhin herausfordernd und zugleich faszinierend.

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Literatur

Feuerstein I., Kuckert-Wöstheinrich A (2023). Möglichkeiten einer zukunftsweisenden Praxisanleitung. Konzept Praxisanleitung in der Benevit – Versorger in der stationären Langzeitpflege. Die Praxisanleitung 1.2023, Seite 12 – 17, Merching. Forum Verlag Herkert GmbH

Kempter (2023): Forschung im Dienst der Pflege. Forschungszentrum der Fachhochschule zog für drei neue Projekte lukrative Förderungen an Land. Vorarlberger Nachrichten mit Ausgabe des 14.Dezember 2023. Eugen-Ruß Verlag. Schwarzach

Polleros, Hackner, Klotz (2023). Pflegewelten. Pflegeprozess. Trauner Verlag. Linz

Zur Person

Mag. Feuerstein Ingrid, DGKP

1984 Matura (HLW Rankweil)

1987 Erhalt des Diploms für allgemeine Gesundheits- und Krankenpflege an der Pflegeschule Feldkirch und erste Anstellung in der Abteilung der Inneren Medizin, des Landeskrankenhauses Feldkirch (LKHF).

1991 Stellenwechsel in die Pflegeschule Feldkirch, als Lehre*in für Gesundheits- und Krankenpflege für 6 Jahre. Berufsbegleitende Absolvierung des ersten Hochschullehrgangs für Lehrkräfte im Ausbildungszentrum West (AZW), in Innsbruck, Tirol.

1996- 2000 Mitarbeit bei der innerbetrieblichen Fortbildung im LKHF im Kontext mit der Einführung der Pflegediagnostik.

2000 Anstellung als Lehrer*in für GuK in der Pflegeschule Bregenz.

Von 2005 bis 2007:  Berufsbegleitendes Magisterstudium in Pflegewissenschaft am Institut für Pflegewissenschaft der UMIT, Hall in Tirol.

Ihr Abschlussarbeit zur Evaluierung der Praktikabilität des RAI-HC-2,0 in der Steiermark wurde in der ProCare Science im Dezember 2008, publiziert.

Von 2013 bis 2017 sammelte Fr. Feuerstein in der Schweiz, als Pflegefachfrau, im Bereich der neurorehabilitativen Pflege und allgemeine Rehabilitation, wertvolle praktische Erfahrungen.

Berufsbegleitend war sie Referent*in, im Kontext mit der Ausbildung zur Ordinationsassistenz, in der Arbeiterkammer Feldkirch bis 2017 und fallweise für CONNEXIA tätig.

Der Aufgabenbereich in der Fachstelle Pflegeentwicklung, bei BENEVIT, fasziniert die Autor*in immer noch sehr, – auch nach 6 Jahren Tätigkeit, dort…

Von den in BENEVIT thematisierten, kontinuierlichen Qualitätsförderungs- bzw. Verbesserungsprozesse können alle Bewohner*innen und Mitarbeiter:innen profitieren.

Ihr Tätigkeitsbereich beschreibt Fr. Mag. Feuerstein als sehr abwechslungsreich und beinhaltet im Wesentlichen, das Risiko- und das Wissensmanagement.

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