Die Pflegelehre soll theoretisch fundiert, praxisnah und kompetenzorientiert gestaltet sein. Trotz hochschuldidaktischer Qualifikationen des Lehrpersonals zeigen sich jedoch Diskrepanzen zwischen dem Wissen über Merkmale guter Lehre und deren tatsächlicher Umsetzung im Unterricht. Der vorliegende Beitrag stellt zentrale Erkenntnisse der Masterarbeit „Knowing – but not doing. Gute Lehre in Pflegeausbildungen und Gründe, warum Lehrende davon abweichen“ vor. Ziel der Arbeit war es, mithilfe qualitativer Interviews Barrieren und förderliche Bedingungen für die Umsetzung guter Lehre in der Pflegeausbildung zu identifizieren.
Gute Lehre – aber was heißt das eigentlich?
Die Anforderungen an Lehrende in der Pflege steigen stetig: Pflegeausbildungen sollen Lernende zu handlungsfähigen, reflektierten Fachpersonen qualifizieren. Im Zentrum steht dabei die sogenannte „gute Lehre“, also eine qualitativ hochwertige, lernförderliche und kompetenzorientierte Unterrichtsgestaltung. Was jedoch als gute Lehre gilt, ist nicht immer eindeutig definiert. Die didaktische Forschung zeigt, dass neben der Vermittlung von Fachwissen auch der Beziehungsaufbau, die Motivation der Lernenden, eine klare Struktur sowie der Einsatz evidenzbasierter Methoden maßgeblich zum Lernerfolg beitragen.
Theorie und Praxis – eine belastete Beziehung
Ein zentrales Problemfeld stellt der mangelnde Theorie-Praxis-Transfer bei Lernenden dar. Viele zeigen in schriftlichen Prüfungen eine gute Wiedergabe von Faktenwissen, sind jedoch in der praktischen Anwendung unsicher. Dieses sogenannte „träge Wissen“ bleibt theoretisch verankert und entfaltet in der pflegerischen Realität kaum Wirkung. Eine ähnliche Kluft zeigt sich auch bei den Lehrenden selbst: Trotz fundierter hochschuldidaktischer Ausbildung gelingt es ihnen oftmals nicht, dieses Wissen in ihrer alltäglichen Lehrpraxis umzusetzen – ein Phänomen, das als Knowing-Doing-Gap bezeichnet wird.
Die Forschung: Was sagen Pflegelehrende selbst?
Im Rahmen der Masterarbeit im Studiengang „Hochschuldidaktik für Gesundheitsberufe“ an der FH Gesundheitsberufe OÖ wurden sechs Lehrpersonen im Bereich Pflege mittels semistrukturierter, problemzentrierter Interviews befragt. Ziel war es, aus ihrer Sicht Barrieren und förderliche Faktoren für die Umsetzung guter Lehre zu identifizieren.
Die Ergebnisse der Interviews zeigen, dass insbesondere Zeitmangel eine der größten Herausforderungen darstellt. Die Lehrenden berichten, dass ihnen häufig die nötige Zeit für eine fundierte fachliche und didaktische Unterrichtsvorbereitung fehlt. Dies beeinträchtigt nicht nur die Qualität der Inhalte, sondern schränkt auch die individuelle Begleitung der Lernenden ein. Zusätzliche Belastung entsteht durch administrative Aufgaben und das knappe Zeitbudget, das für Reflexion und Nachbereitung oft nicht ausreicht. Hinzu kommen infrastrukturelle Schwierigkeiten: Unzureichende EDV-Ausstattung, fehlende Rückzugsmöglichkeiten in Großraumbüros und mangelnder Zugang zu relevanten Online-Datenbanken erschweren die Unterrichtsvorbereitung erheblich. Der Unterricht wird zudem häufig als „Nebentätigkeit“ wahrgenommen, da Lehrpersonen neben der Lehrtätigkeit auch für Praxisbegleitungen, Curriculumsentwicklung und andere Aufgaben zuständig sind. Viele Lehrende wünschen sich eine stärkere Fokussierung auf die Lehre als zentrale Aufgabe.
Auch die Fortbildungslandschaft wird kritisch gesehen: Zwar stehen zahlreiche fachliche Angebote zur Verfügung, doch gezielte didaktische Weiterbildungen – insbesondere solche mit Bezug zur Hochschullehre in der Pflege – sind selten. Gleichzeitig berichten die Lehrenden von einer zunehmend heterogenen Zielgruppe. Unterschiede in Vorbildung, Alter, Sprache, Motivation und Belastbarkeit der Lernenden stellen neue Anforderungen an die Unterrichtsgestaltung. Es wird daher ein deutliches Bedürfnis nach Fortbildungen geäußert, die auf diese veränderten Ausgangsbedingungen eingehen.
Trotz dieser Herausforderungen zeigen sich in den Interviews auch viele positive Aspekte. Die Lehrpersonen berichten durchwegs von einer hohen intrinsischen Motivation, ihre Lehre kontinuierlich weiterzuentwickeln. Besonders hervorgehoben wird die Beziehungsarbeit mit den Lernenden, die als zentraler Erfolgsfaktor für den Lernerfolg gesehen wird. Viele Lehrende erleben diese Beziehungsgestaltung als gelingend. Auch die Kontinuität in der Fächerverantwortung wird als förderlich empfunden: Langjährige Zuständigkeit ermöglicht den Aufbau tiefgehender Fachexpertise und schafft Sicherheit in der Unterrichtsgestaltung. Der kollegiale Austausch, Peer-Teaching sowie gemeinsame Reflexionen im Team werden als besonders wertvoll erlebt und leisten einen wichtigen Beitrag zur Sicherung der Lehrqualität.
Praxisrelevanz: Was heißt das für Pflegebildungseinrichtungen?
Die Studienergebnisse legen nahe, dass die Umsetzung guter Lehre nicht allein eine Frage individueller Fähigkeiten ist. Vielmehr spielen strukturelle und institutionelle Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle. Bildungsinstitutionen im Pflegebereich sollten daher gezielt Maßnahmen setzen, um die Lehrqualität zu fördern. Dazu gehört es, Lehrenden ausreichend zeitliche Ressourcen für die Unterrichtsvorbereitung, Durchführung und Reflexion zur Verfügung zu stellen. Ebenso zentral ist der kontinuierliche Zugang zu didaktischen Fortbildungen, die speziell auf die Anforderungen in der Pflegelehre abgestimmt sind. Investitionen in moderne räumliche und technische Infrastruktur sind genauso notwendig wie die Anerkennung von Lehrpersonen als pädagogische Expert*innen mit entsprechendem Gestaltungsspielraum. Schließlich sollten auch zielgruppenspezifische Lehrstrategien weiterentwickelt werden, um der zunehmenden Heterogenität unter den Lernenden gerecht zu werden.
Fazit: Gute Lehre braucht gute Bedingungen
Gute Lehre entsteht nicht zufällig – sie erfordert qualifizierte, engagierte Lehrpersonen und angemessene Rahmenbedingungen. Der sogenannte Knowing-Doing-Gap ist kein individuelles Versäumnis, sondern Ausdruck struktureller Herausforderungen im Ausbildungssystem. Um diese Kluft zu überbrücken, braucht es ein gemeinsames Verständnis von guter Lehre sowie institutionelle Strukturen, die ihre Umsetzung ermöglichen. Nur so kann sichergestellt werden, dass aus Wissen auch Handlung wird – und aus guter Absicht tatsächlich gute Lehre.
Theresa Feusthuber, BScN, MHPE
ist Lehrende im Bereich Gesundheits- und Krankenpflege, sowie Absolventin des Masterlehrgangs „Hochschuldidaktik für Gesundheitsberufe“ an der FH Gesundheitsberufe OÖ.
E-Mail: theresa.feusthuber@ooeg.at
Wir informieren Sie sehr gern über zukünftige Neuerscheinungen und interessante Artikel.
Mit unserem Newsletter informieren wir Sie
1x monatlich über Aktuelles, Neues und Wissenswertes aus dem Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich.
Cookie | Dauer | Beschreibung |
---|---|---|
_ga | 2 years | The _ga cookie, installed by Google Analytics, calculates visitor, session and campaign data and also keeps track of site usage for the site's analytics report. The cookie stores information anonymously and assigns a randomly generated number to recognize unique visitors. |
_ga_8L3SGDD488 | 2 years | This cookie is installed by Google Analytics. |