Pflegekräfte treffen immer häufiger auf muslimische Patientinnen. Kultursensible Pflege bedeutet, religiöse Bedürfnisse, etwa in Bezug auf Gebet, Ernährung, Intimsphäre oder Rituale am Lebensende, wahrzunehmen und achtsam in den Pflegealltag einzubeziehen. Dabei geht es nicht um Perfektion, sondern um Offenheit, Respekt und eine empathische Grundhaltung. Dieser Beitrag zeigt, wie Pflegekräfte mit kulturellem Wissen und Einfühlungsvermögen professionell auf Vielfalt eingehen können und warum das sowohl für Patientinnen als auch für Pflegepersonen ein Gewinn ist.
Respekt beginnt im Alltag „Islamisch geprägte Bedürfnisse in der Pflege erkennen und professionell handeln“
Pflegekräfte begegnen heute einer zunehmend vielfältigen Gesellschaft, das zeigt sich besonders im Umgang mit Patient*innen muslimischen Glaubens. Pflegerische Praktika zeigen, dass fachliche Kompetenz allein nicht ausreicht, ebenso wichtig sind eine offene Haltung, ein respektvoller Blick auf individuelle Lebenswelten und die Bereitschaft, voneinander zu lernen. Pflege bedeutet für mich, Menschen in ihren unterschiedlichen Bedürfnissen und Glaubenssystemen ernst zu nehmen, nicht nur im medizinisch- pflegerischen, sondern auch im sozialen und spirituellen Sinne.
In meiner schriftlichen Fachbereichsarbeit beschäftigte ich mich mit dem Thema „Islam in der Pflege – Anpassung pflegerischen Handelns an islamische Bedürfnisse“. Mein Ziel war es, herauszufinden, wie wir als Pflegepersonen konkrete, alltagstaugliche Wege finden können, um mit religiösen Anforderungen sensibel und professionell umzugehen. Dabei ging es nicht darum, alle Wünsche kritiklos zu erfüllen oder sich selbst zu verbiegen, sondern vielmehr darum, wie wir als Pflegekräfte einfühlsam, kompetent und respektvoll reagieren können, ohne dabei pflegerische Standards aus dem Blick zu verlieren.
Ein zentrales Thema ist das Gebet. Muslimische Patientinnen beten bis zu fünfmal täglich, verbunden mit rituellen Waschungen. Diese Praxis hat auch im Krankenhausalltag einen hohen Stellenwert. Gerade in herausfordernden Situationen, bei Krankheit oder am Lebensende, suchen viele Menschen in ihrem Glauben Halt. Für Pflegekräfte bedeutet das: aufmerksam sein, kleine Zeichen setzen, Verständnis zeigen. Einen Wasserkrug für die rituelle Waschung bereitzustellen, Rücksicht auf Gebetszeiten zu nehmen oder wenn möglich einen ungestörten Raum zu organisieren, kann sehr viel bewirken. Es geht darum, Patientinnen das Gefühl zu geben, gesehen zu werden mit allem, was ihnen wichtig ist.
Auch das Thema Ernährung ist von hoher Bedeutung. Viele muslimische Patientinnen lehnen Schweinefleisch, Alkohol oder nicht rituell geschlachtetes Fleisch ab. Während des Fastenmonats Ramadan wird von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder gegessen noch getrunken – auch im Krankenhaus. Obwohl Kranke laut islamischem Recht vom Fasten ausgenommen sind, entscheiden sich einige Patientinnen trotzdem dafür. Pflegekräfte stehen hier oft vor einem Spannungsfeld zwischen Fürsorgepflicht und Respekt vor der Entscheidung des Gegenübers.
Wichtig ist es, im Gespräch zu bleiben, Möglichkeiten aufzuzeigen, gegebenenfalls islamische Seelsorger*innen einzubinden und konkrete Alternativen anzubieten, zum Beispiel Halal-Speisen, vegetarische Gerichte oder eine klare Kennzeichnung der Mahlzeiten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Körperpflege. Im Islam gilt der Körper als schützenswert und rein. Viele Patientinnen legen besonderen Wert auf Intimsphäre, wünschen sich Pflege durch gleichgeschlechtliches Personal oder möchten ihre Kleidung, etwa ein Kopftuch auch im Krankenhaus weitertragen. Rituelle Waschungen spielen gerade bei der Sterbebegleitung eine große Rolle. Hier braucht es ein feines Gespür dafür, was machbar ist, und ein ehrliches Interesse an den Bedürfnissen der Patientinnen. Niemand erwartet von Pflegekräften, religiöse Rituale selbst durchzuführen, aber sie können die Rahmenbedingungen schaffen, damit diese möglich werden.
Ein weiteres essenzielles Thema ist die Kommunikation. Sprache ist in der Pflege weit mehr als Informationstransfer, sie transportiert Werte, Haltungen und kulturell geprägte Ausdrucksformen. Einfache Maßnahmen wie das Vermeiden von medizinischem Fachjargon, das Stellen offener Fragen oder der Einsatz visueller Hilfsmittel können helfen, Vertrauen aufzubauen, besonders bei Patient*innen mit wenig Deutschkenntnissen. Auch Angehörige und die islamische Seelsorge können wichtige Brücken bauen. Was es braucht, ist keine perfekte Ausdrucksweise, sondern echtes Interesse am Gegenüber.
Kultursensible Pflege fördert nicht nur das Wohlbefinden der Patientinnen, sondern auch die Zufriedenheit des Pflegepersonals. Sie verringert Missverständnisse, beugt Konflikte vor und verbessert die Qualität der pflegerischen Versorgung. Aus meiner Sicht sollte kultursensible Pflege ein fester Bestandteil der Ausbildung sein, nicht nur theoretisch, sondern auch im Rahmen von praxisnahen Modulen, Fallbeispielen oder der Zusammenarbeit mit religiösen und kulturellen Expertinnen.
Maßnahmen wie die Einbindung muslimischer Seelsorger*innen, Schulungen zu interkultureller Kommunikation oder die Bereitstellung geeigneter Speisen sollten nicht als „Zusatzangebote“ verstanden werden, sondern als Elemente professioneller und zukunftsorientierter Pflege.
Besonders eindrücklich war für mich die Auseinandersetzung mit dem Thema Sterbebegleitung. Der Tod ist im Islam kein Ende, sondern ein Übergang. Rituale wie das Sprechen der Schahada (Glaubensbekenntnis), die Ausrichtung des Körpers nach Mekka, das Einhüllen des Leichnams in Baumwolltücher oder die rituelle Waschung durch Angehörige sind von großer Bedeutung. Pflegekräfte, die diese Bedürfnisse kennen und respektieren, ermöglichen einen Abschied in Würde. Oft reicht es, präsent zu sein, Raum zu geben, Stille auszuhalten und sich nicht davor zu scheuen, spirituelle Begleitung mitzuorganisieren.
Die Vielfalt, die uns im Pflegealltag begegnet, ist keine Last, sondern eine große Chance. Ich bin überzeugt, dass eine Pflege, die kultursensibel handelt, dazu beiträgt, gesellschaftliche Barrieren abzubauen und Chancengleichheit im Gesundheitssystem zu fördern. Sie stärkt die Resilienz der Patient*innen, unterstützt deren Krankheitsbewältigung und sie macht den Pflegeberuf vertrauensvoll und erfüllend.
Im Herbst beginne ich mein Studium in Gesundheits- und Krankenpflege, ein nächster Schritt auf meinem beruflichen Weg. Ich freue mich darauf, meine Erfahrungen zu vertiefen und weiterzugeben, nicht als Fachkundiger für alle Religionen, sondern als Pflegeperson mit Haltung und Herz.
Denn letztlich geht es in der Pflege nicht nur um Körper, sondern auch um Würde, Vertrauen und Beziehung. Und dafür ist kulturelle Sensibilität kein Extra, sondern eine Grundvoraussetzung.
Ljubić (2025): Islam in der Pflege.
Von Bose, A. & Terpstra, J. (2012): Muslimische Patienten pflegen.
Lenthe, U. (2024): Transkulturelle Pflege.
ICN-Ethikkodex für Pflegefachpersonen (2021).
Statistik Austria (2024): Migration & Integration.
Gülal, F. et al. (2017): Kultursensible Pflege und Betreuung von muslimischen Menschen.
Ivan Ljubić,
Pflegefachassistent in Ausbildung an der Schule für Gesundheits- und Krankenpflege der Oberösterreichischen Gesundheitsholding Vöcklabruck. Fachbereichsarbeit: „Islam in der Pflege“. Studienstart GuK an der FH Gesundheitsberufe OÖ im September 2025.
E-Mail: ivan.ljubic@gmx.at
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