Im Jahr 2016 wurde der dritte Pflegeberuf – die Pflegefachassistenz (PFA) – eingeführt. Jahre danach ist der Beruf in der Praxis angekommen, obwohl es immer noch rechtliche Unsicherheit über das Einsatzgebiet und die Kompetenzen gibt. Der Beitrag soll Klarheit bringen.
Mit 1. September 2016 trat das überarbeitete Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (kurz: GuKG) in Kraft. Neben der Überarbeitung der bisherigen Pflegeberufe
wurde die Pflegefachassistenz (PFA) neu ins Leben gerufen.
Nach den Gesetzesmaterialien zur GuKG-Novelle 2016 sollte dies zur Verbesserung der Einsatzmöglichkeiten des Pflegepersonals und damit zu einer optimierteren Versorgungssituation in den verschiedenen Pflege- und Betreuungssettings beitragen. Zur Entlastung der DGKP und auch der Ärzteschaft wurde 2016 aufbauend auf das Berufsbild der PA ein neues Betätigungsfeld der PFA geschaffen, welches als Fundament eine zweijährige Gesamtausbildung hat. Diese Ausbildung brachte kompetenzvertiefende und befugniserweiternde Qualifikationen sowohl im Bereich „Pflege“ als auch im Bereich „medizinische Diagnostik und Therapie“. Hinzu kamen weitergehende Delegationsmöglichkeiten ohne verpflichtende Aufsicht, wodurch ein umfassenderes Einsetzen als auch eine Betrauung mit komplexeren Aufgaben möglich wurde.
Die Ausbildung in der PFA kann aktuell über folgende Bildungswege erfolgen:
Die höhere Lehranstalt wurde erst regelhaft mit dem Schuljahr 2023/24 in das öst. Bildungssystem eingeführt. Die Pflegelehre ist seit September 2023 möglich. Es handelt sich dabei um einen Ausbildungsversuch bis 2029. Die PFA-Lehrlinge müssen einmal pro Jahr für 10 Wochen in die Berufsschule, den Rest verbringen sie in der Praxis im jeweiligen Pflegesetting (z.B. Spital, Pflegeeinrichtung, Hauskrankenpflege, Einrichtung zur Betreuung von Menschen mit Behinderung). Die Berufsschule wird aktuell in vier Bundesländern angeboten (Niederösterreich, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg).
Nach dem Berufsbild umfassen die Pflegeassistenzberufe (so auch die PFA) die Durchführung der ihnen nach Beurteilung durch DGKP im Rahmen des Pflegeprozesses übertragenen Aufgaben und Tätigkeiten in verschiedenen Pflege- und Behandlungssituationen bei Menschen aller Altersstufen in mobilen, ambulanten, teilstationären und stationären Versorgungsformen sowie auf allen Versorgungsstufen. Im Rahmen der medizinischen Diagnostik und Therapie führen PFA die ihnen von Ärzt*innen übertragenen oder von DGKP weiterübertragenen Maßnahmen durch (§ 82 GuKG).
Mit Einführung des Berufes der PFA im Jahr 2016 wurde auch deren Kompetenzbereich gesetzlich festgelegt (§§ 83, 83a GuKG). Zudem findet sich in der PA-PFA-Ausbildungsverordnung ein PFA-Qualifikationsprofil, welches zur Auslegung der Befugnisse von zentraler Bedeutung ist (Anlage 5). Bedauerlicherweise hat dieses seit 2016 kein Update mehr erfahren, obwohl sich die Befugnisse der PFA seither mehrmals erweitert haben.
Die berufsrechtlichen Kompetenzen stellen das maximale Dürfen dar. Eine Kompetenzüberschreitung kann nicht nur zur Haftung führen, sondern auch eine Strafe auslösen. Deshalb ist die Kenntnis des Kompetenzrahmens besonders wichtig. Sowohl die PFA selbst als auch die Betriebe, die PFA beschäftigen, haben sich an die Kompetenzen zu halten und diese Grenze nicht zu überschreiten.
Die PFA haben folgende Kompetenzen:
4.1. Durchführung von Pflegemaßnahmen
Im Rahmen dieser Kompetenz sind PFA nach Anordnung durch DGKP eigenverantwortlich (= ohne Aufsicht) berechtigt, am Pflegeassessment mitzuwirken, den Gesundheitszustand zu beobachten, Informationen zu erteilen, Kommunikation und Begleitungen sowie generell Pflegemaßnahmen durchzuführen, die ihnen entsprechend ihrem Qualifikationsprofil übertragen wurden. Der Gesetzgeber begnügt sich mit der Auflistung einzelner Begriffe, ohne detaillierte Kompetenzzuschreibungen festzulegen. Der/die DGKP soll somit nach einer persönlichen Pflegeanamnese und Beurteilung der Pflegesituation nur solche Pflegemaßnahmen an PFA übertragen, welche unter Berücksichtigung des Ausbildungsstandes übertragbar sind. Somit kann das Potential von PFA vermehrt ausgeschöpft werden und führt dies zu einer Verbesserung der Teamarbeit in der Praxis (Weiss/Lust, GuKG9 § 83 Rz 4).
4.2. Handeln im Notfall
Im Rahmen dieser Kompetenz ist der PFA berechtigt, Notfälle zu erkennen, diese richtig einzuschätzen und die entsprechenden Maßnahmen eigenverantwortlich einzuleiten. Hierzu gehören sämtliche Maßnahmen der qualifizierten Ersten Hilfe sowie lebensrettende Sofortmaßnahmen (Herzdruckmassage, Beatmung mit einfachen Beatmungshilfen, Defibrillation und Verabreichung von Sauerstoff) einschließlich der unverzüglichen Verständigung ärztlicher Hilfe.
4.3. Mitwirkung bei medizinischer Diagnostik und Therapie
Im GuKG sind mit Stand Februar 2024 in Summe 18 Maßnahmen aufgelistet, die im Rahmen der Medizin durch PFA ausgeübt werden dürfen, sofern eine Ärztin bzw. ein Arzt (bzw. ein*e DGKP im Rahmen der Subdelegation) dies im Einzelfall schriftlich angeordnet hat. Auszugsweise zählen dazu: Verabreichung von Arzneimitteln mit Einschränkung auf bestimmte Applikationsformen; standardisierte Blut-, Harn- und Stuhluntersuchungen; Blutentnahme aus der Vene mit Ausnahme bei Kindern; Absaugen aus den oberen Atemwegen sowie dem Tracheostoma in stabilen Pflegesituationen; Erhebung und Überwachung von medizinischen Basisdaten; Durchführung standardisierter diagnostischer Programme (z.B. EKG, EEG, BIA); Legen und Entfernen von transnasalen und transoralen Magensonden sowie Ab- und Anschluss laufender Infusionen.
Die stabile Pflegesituation ist zur Abgrenzung wichtig. Sie liegt vor, wenn
Seit der GuKG-Novelle 2022 dürfen PFA nach entsprechender Anordnung zudem:
In der Praxis wird dabei die Reichweite der Infusionskompetenz diskutiert. So vertreten Hausreither und Lust die Auffassung, dass vom Begriff „Verabreichung“ eine Vorbereitung der Infusion nur dann umfasst ist, wenn es sich um ein Fertigprodukt handelt (in ÖZPR 2022/97). Diese Rechtsauffassung wird nicht geteilt, zumal nach dem Qualifikationsprofil der PFA die Verabreichungskompetenz stets das Vorbereiten und Abgeben umfasst und daher die Einschränkung auf die Verwendung von Fertigprodukten rechtlich nicht nachvollziehbar erscheint.
Zu guter Letzt wurden die medizinischen Kompetenzen der PFA durch die GuGK-Novelle 2023 erneut erweitert; und zwar um das Setzen und Entfernen von transurethralen Kathetern beim Mann. Sohin dürfen PFA mittlerweile bei beiden Geschlechtern transurethrale Katheter setzen und entfernen, ausgenommen bei Kindern.
4.4. Praxisanleitung durch PFA
PFA dürfen Auszubildende der Pflegeassistenzberufe (PA, PFA) im Rahmen der Praxisphase anleiten und unterweisen. Sohin dürfen sie als Praxisanleiter*innen tätig werden und zur Vorbereitung auf diese Tätigkeit auch an einer Weiterbildung teilnehmen (erlaubt seit der GuKG-Novelle 2022). Die Beurteilung von Auszubildenden im Rahmen der Praxisphase ist jedoch Aufgabe von DGKP.
Seit 2018 müssen sich auch PFA im Gesundheitsberufe-Register eintragen lassen. Dies ist eine Voraussetzung zur Berufsausübung. Im öffentlich einsehbaren Register befinden sich Mitte Februar 2024 gesamt 6.606 eingetragene PFA (abrufbar unter: gbr-public.ehealth.gv.at).
Sohin ist die Zahl der PFA in Österreich ca. acht Jahre nach Einführen dieses Berufs noch überschaubar. Nach dem GuKG dürfen PFA lediglich in einem Dienstverhältnis arbeiten. Das Einsatzgebiet von PFA reicht von Krankenanstalten, Pflege- und Betreuungseinrichtungen sowie freiberuflich tätigen Ärzt*innen/Gruppenpraxen und DGKP über die neuen Primärversorgungseinheiten bis hin zu Einrichtungen der Hauskrankenpflege und der Justizanstalten.
Berufsangehörige der PFA werden in all diesen Setting dringend benötigt. Nach der Pflegepersonalprognose, die kürzlich von der Gesundheit Österreich (GÖG) veröffentlicht wurde, muss aufgrund der demografischen Entwicklung die Zahl der Pflegepersonen (DGKP, PFA, PA) in den Krankenanstalten und im Langzeitbereich insgesamt von 120.800 auf 143.200 im Jahr 2030, auf rund 163.500 im Jahr 2040 und auf 190.700 Pflegepersonen im Jahr 2050 ansteigen. Es bedarf rund 70.000 zusätzlicher Pflegepersonen. Und dies nur, um den Versorgungsstand des Jahres 2019 aufrechtzuerhalten.
Zuletzt ist in der Praxis zu bemerken, dass PFA auch von ihren maximalen Kompetenzen laut Gesetz Gebrauch machen möchten und Einschränkungen ihres Berufsbildes nicht wirklich akzeptieren. Sohin ergeht abschließend der Appell an die Verantwortlichen im Gesundheitswesen, den PFA ihre zugedachte Rolle im Gesundheits- und Pflegewesen auch zuzutrauen und ausleben zu lassen, wodurch berufliche Frustrationen hintangehalten werden können. Dies fördert schlussendlich eine Arbeitsplatzzufriedenheit und sichert einen längeren Verbleib im Betrieb.
Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz, Schreiben vom 22. 1. 2018, 92251/0008-IX/A/2/2018
Gesundheit Österreich GmbH, Pflegepersonalprognose – Update bis 2050 (2024)
Halmich M., Recht für Pflegefachassistent:innen (PFA), 4. Auflage (2024)
Hausreither M. / Lust A., Aktuelles und Wichtiges aus dem Berufsrecht, Rechtsansicht des BMSGPK – Vorbereitungsmaßnahmen durch Pflegefachassistenz? ÖZPR 2022/97
Weiss S. / Lust A., Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG, 9. Auflage (2021)
Dr. Michael Halmich LL.M. ist Jurist und Ethikberater im Gesundheitswesen. Er leitet das FORUM Gesundheitsrecht und bringt im eigenen Educa-Verlag Rechtsbücher für Gesundheitsberufe am Markt; so auch für die Pflegefachassistenz (4. Auflage 2024).
Kontakt: halmich@gesundheitsrecht.at
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